Ausgabe 02/16

Auch wenn die Prozessleittechnik heute immer ausgefeilter ist, so lassen sich die biologischen Abläufe einer Kläranlage nicht einfach auf andere Betriebe übertragen, denn „die Mikroorganismen reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen“, erklärt Sven Gayring, stellvertretender Betriebsleiter in Filderstadt-Bonlanden. Und während die Prozessleittechnik einen immer wichtigeren Stellenwert einnimmt, steigen zeitgleich die Ansprüche an ihre Effizienz.

Gebläseluft sparsamer erzeugen

Die Technik der Kläranlage Bombach war in die Jahre gekommen. Bei der grundlegenden Modernisierung lag ein besonderer Fokus auf der Biologie, die auch den Löwenanteil der Energiekosten verursacht – vor allem durch die Gebläse, die der Sauerstoffversorgung der Mikroorganismen dienen. Die Stadt Filderstadt setzt hierfür jetzt vier Aggregate vom Typ Delta Hybrid (D 24 S, 1005 m³/h, 30 kW) von AERZEN ein. Die Aggregatstechnologie vereint die Vorzüge von Gebläsetechnologie und Verdichtertechnologie und ist dabei nicht nur energiesparend, sondern auch hundertprozentig prozesssicher, da die Aggregate absolut öl- und absorptionsmaterialfreie Luft zur Verfügung stellen. Dabei arbeiten sie sowohl bei niedrigem Luftbedarf als auch unter höherer Last energetisch optimal.

Effizienzsteigerung durch optimierte Prozesse

Für eine präzise Regelung des Volumenstroms in den Becken sind alle vier Delta Hybrids in einem Frequenzband zwischen 21 und 50 Hertz drehzahlgesteuert. Mit einer Motornennleistung von je 30 kW sind die Einheiten räumlich im Technikgebäude zusammengefasst, ihre Gebläseleistung mit einem maximalen Enddruck von 1,6 bar (abs.) ist aber aufgeteilt: Ein Aggregat übernimmt die Grundversorgung der Biologie 1 und die weiteren drei versorgen das neu gebaute Belebungsbecken. Durch die Installation der vier Drehkolbenverdichter in einem Raum kann die Abstrahlwärme der Einheiten auf recht einfache Weise genutzt werden. Eine im Raum verbaute Absauganlage sammelt die aufgewärmte Luft ein und verteilt sie auf die weiteren Räume des Technikbereichs. Die Gebläseluft selbst bietet ein noch größeres Potenzial zur Rückgewinnung von Wärme. Diese resultiert aus dem Anstieg der Lufttemperatur beim Verdichten. Um dieses Potenzial für eine bessere Energieeffizienz zu nutzen, ist in die Hauptleitung ein Rohrbündelwärmetauscher eingebaut. Durch diesen strömt Wasser, das der warmen Luft ein Delta bis 17 Grad Celsius entzieht. Das mit einer Förderleistung von jeweils 20 Kubikmetern pro Minute große Potenzial wurde mit einer Wärmleistung von 14 kW beziffert. Diese Leistung wird in erster Linie für die Warmwassererzeugung genutzt sowie zur Beheizung des neu gebauten Betriebsgebäudes. „Wärmerückgewinnung wird in Kläranlagen zu einem immer wichtigeren Thema“, berichtet Betriebsleiter Martin May. „Es gilt, die eingesetzte Energie möglichst effektiv zu nutzen.“

Nur so viel Luft wie nötig

In der neuen Biologie 2 bauen die Mikroorganismen ganz gezielt in einer anaeroben Umgebung Nitrat ab. Ist ausreichend Sauerstoff vorhanden, stürzen sie sich am liebsten auf Ammoniumverbindungen. Damit sich diese beiden Abbauprozesse in einem Becken steuern lassen, ist die Luftzufuhr in Zonen aufgeteilt. Der Sauerstoffgehalt lässt sich entsprechend der herrschenden Nitrat- und Ammoniumkonzentrationen über die Drehzahl der Delta Hybrids von AERZEN präzise steuern. Mit einem kaskadierten Betrieb von drehzahlvariablen Gebläsen und Verdichtern können Abwasserbetriebe den für die mikrobiologische Reinigung notwendigen Sauerstoffgehalt auch aus dem energetischen Blickwinkel heraus optimal einstellen. Mit vergleichsweise einfachen technischen Lösungen lässt sich zudem die bei der Gebläseluft entstehende Wärme effektiv nutzen. Kläranlagen können damit ohne fossile Brennstoffe autark ihren Warmwasserbedarf decken.